Salzburg Research FutureBook: Wie wir die digitale Transformation gestalten: Interview

Außeruniversitäre Forschung als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft

Die außeruniversitäre Forschung steht nahe an der Umsetzung und unterstützt maßgeblich bei technologischen Fortschritten und sozialen Neuerungen. Die Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Brigitte Bach und Geschäftsführer Dr. Siegfried Reich über die Genese und die Zukunft der Salzburg Research Forschungsgesellschaft und ihre Rolle im Innovationsökosystem zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.

Interview: Michael M. Mayr

Salzburg Research wurde 1996 als Verein gegründet und wurde dann ab 2001 zur Landesgesellschaft: Was waren erste Themen?

Sigi Reich (SR): Zu Beginn hatten wir eine Start-up-Kultur. Wir hatten und haben viel Freiheit, mussten aber auch immer selbst die Budgets dafür aufstellen. Ich erinnere mich an eines meiner ersten Gespräche mit dem damaligen Landeshauptmann. In seinen Unterlagen stand: „Projekt Salzburg Research“. Für mich war das ein enormer Antrieb: Wir sind nicht bloß ein Projekt, sondern ein Institut mit Mehrwert für die Region. Wir haben dann unsere Hausaufgaben gemacht, z.B. ein Qualitätsmanagement eingeführt, einen Kollektivvertrag, eine transparente Struktur mit Perspektive und Planungssicherheit. Wir wurden Mitglied der Forschung Austria. In dieser ersten Phase haben wir das erste Kompetenzzentrum im Bereich Neue Medien nach Salzburg geholt, später ein zweites zum Thema Tourismus. Mit dem Land als Eigentümer waren und sind wir ein wichtiger Baustein in Salzburg. Neben Mozart und Kultur sollte Salzburg auch als Technologiestandort einen Namen bekommen.

Die Gründungszeit 1996 ist weit weg, digitale Steinzeit …

SR: In der Tat! Der Gründer von Harvard meinte auf die Frage, was es braucht, um eine Elite-Uni aufzubauen: „Einhundert Jahre und eine Milliarde Dollar“. Ein bisschen gilt das für jede Forschungsinitiative. Das braucht Zeit. Da sind zwanzig Jahre wenig. Wir haben versucht, die komplette Klaviatur der außeruniversitären Forschung zu bespielen. Jetzt sind wir ein anerkannter Teil des Salzburger Innovations-Ökosystems. Als Forschungsinstitut sind wir das Verbindungselement zwischen Wirtschaft, Politik und der Wissenschaft. Ein wichtiger Begriff, der immer wieder genannt wird, ist „Salzburg Research ist ein Werkzeug“. Sozusagen vom Projekt zum Instrument, mit dem man was bewirken, Dinge auf die Straße bringen und umsetzen kann. Das freut mich!

Frau Bach, wie beurteilen Sie als Aufsichtsratsvorsitzende bei Salzburg Research die Rolle der außeruniversitären Forschung?

Brigitte Bach (BB): Ich halte die außeruniversitäre Forschung für absolut relevant gerade in bewegten Zeiten, wie sie es jetzt sind. Im Innovationsprozess steht sie nahe an der Umsetzung. Außeruniversitäre Forschung kann sowohl bei technologischen Fortschritten als auch sozialen Neuerungen unterstützen, eine Spur schneller und effektiver Neuerungen in den Markt bringen und im Dreieck aus Industrie, Gesellschaft und Politik mitgestalten. Diese lokale Vernetzung im Ökosystem ist in Salzburg schon sehr gut gelungen, ebenso der Reach-out in die internationale Forschungsszene, um Dinge hereinzuholen und im Austausch bereichernd zu wirken. Was ich auch für ganz wichtig halte, ist Transformation zu begleiten. Bei Salzburg Research ist das die digitale Transformation. Das ist eine Stärke! Mit Universitäten suchen wir kluge Kooperationen, um junge Kolleginnen und Kollegen zu Salzburg Research zu holen und so von der Innovationskraft hinter Doktoraten zu profitieren.

Brigitte Bach, Aufsichtsratsvorsitzende

Ich halte die außeruniversitäre Forschung für absolut relevant gerade in bewegten Zeiten

– Brigitte Bach, Aufsichtsratsvorsitzende

Wie ist öffentliche Wahrnehmung von außeruniversitärer Forschung, das Public Standing?

BB: Das öffentliche Standing von außeruniversitärer Forschung muss generell gestärkt werden. Die Kommunikation von und mit ihr sollte forciert werden. Außeruniversitäre Forschung ist weniger eindeutig messbar als universitäre Forschung, wo man z.B. einen Publikationsindex, die Zahl von Doktoraten und die Lehre als Indikatoren verwendet. Die Wirkung von außeruniversitärer Forschung misst und kommuniziert man am besten über etablierte große Projekte, über erfolgreich ins Leben gebrachte Technologien, Prozesse oder Living Labs.

Was sind Beispiele für große erfolgreiche Projekte bei Salzburg Research?

SR: Ein gutes Beispiel ist der digitale Skischuh mit Atomic. Die Frage war, wie sich mit Sensorik messen lässt, wie jemand Ski fährt und welcher Ski der individuell richtige Ski ist. Denn viele Skifahrenden fahren mit nicht passendem Material und mühen sich ab. Gemeinsam mit anderen Forschungsinstituten machen wir Bewegungsanalysen, entwerfen die Kommunikation mit Skifahrer:innen und gestalten Geschäftsmodelle. Zusätzlich lässt sich auch Verletzungsvermeidung über so eine Sensorik realisieren. Das heißt, wir bringen verschiedene Player zusammen, alle bringen ihr jeweiliges Know-how ein. Unser Teil ist immer die Datenanalyse.

Der Digibus® ist ein weiteres gutes Beispiel, wo wir die Fragestellung der letzten Meile pilotieren: Wie kann ich den Öffentlichen Verkehr am Land attraktiver gestalten, so etwas wie ein Dorfshuttle organisieren? Der nächste Schritt ist, in Modellregionen den Impact zu erhöhen, d.h. im Sinne von Transformation und Green Tech das in die Breite zu bringen. Da denken wir an eine Modellregion „Digitaler Tourismus“, wo von Besucherströmen über die Netzwerkanbindung bis zur Mobilität ganz viele Dinge reinspielen, um Nachhaltigkeit und einen lebenswerten Tourismus zu gestalten.

Siegfried Reich, GF Salzburg Research

Die digitale Transformation braucht eine gute Datenbasis.

– Siegfried Reich, GF Salzburg Research

Es gibt eine große Wissenschaftsskepsis. Was braucht es hier?

BB: Man hört ganz oft in Diskussionen, dass wir auf ein postfaktisches Zeitalter zugehen. Das ist hochgefährlich und bedroht letztlich die Grundfesten unserer Gesellschaft. Die Wissenschaft ist einer der wesentlichen Bausteine für Wohlstand und Demokratie. Das Verständlich-machen, was Wissenschaft ist, was sie auszeichnet, was sie bewirken kann, ist ein ganz zentrales Thema. Wir sollten den Menschen verstärkt ermöglichen, in Forschungseinrichtungen zu kommen und zu zeigen, wie hier konkret gearbeitet wird. Der Schlüssel zum Erfolg ist, viele Leute für Wissenschaft zu begeistern, ihnen ein Verständnis von eben dieser zu geben.

Für Forschende ist es oft herausfordernd, sich verständlich zu erklären, in Medien, in der Öffentlichkeit das eigene Tun zu erzählen. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

SR: Ein Ansatz ist – wie Brigitte Bach gesagt hat –, möglichst offen zu kommunizieren, auch die Vorteile neuer Technologien zu betonen. Beispielsweise welche Rettungsmöglichkeiten mit 5G bereitgestellt werden, wie einfach du mit einem Knopfdruck vom Handy zuverlässig und sicher einen Notruf absetzen kannst. Man kann es nur auf einer sachlichen Ebene und einer Nutzenebene argumentieren. Aber es wird auch die Emotion brauchen, um die Leute abzuholen. Wir öffnen zum Beispiel im Rahmen der Langen Nacht der Forschung immer wieder unsere Türen für die Öffentlichkeit und laden zu Dialogen ein.

Ein Thema in der außeruniversitären Forschung ist die Finanzierung. Wie gelingt der Spagat zwischen öffentlicher Hand und der Wirtschaft?

SR: Der große Unterschied zu einer Universität ist, dass wir in Bezug auf die Grundmittelbasis nicht voll ausfinanziert sind. Zu zwei Dritteln müssen wir uns selbst über Aufträge und Forschungsprojekte finanzieren. Die müssen wir aktiv einwerben. Aber wir stiften für Unternehmen konkreten Nutzen und das wird natürlich bezahlt. Außerdem gibt es die Förderprojekte, die im Wettbewerb eingeworben werden. Dieser Wettbewerb muss sich auf einer gesunden Ebene bewegen.

Stichwort „Green Deal“: Wie kann die wissenschaftliche Unterstützung der Unternehmen hier gelingen?

BB: Diese Transformation können wir für die Region, die Gesellschaft und für die Wirtschaft nutzen. Herausforderungen wie Digitalisierung, Connectivity und die Daten, die damit in Zusammenhang stehen, insbesondere in bewegten Systemen, gehören gemeistert. In Salzburg passiert strategische Arbeit zurzeit vor allem auf Landesebene. Es wird versucht, das Ökosystem auf bestimmte Stärken wie Tourismus, Gesundheit, Rehabilitation und Freizeit auszurichten. Digitalisierung ist bei diesem Prozess immer präsent.

SR: Den Green Deal übersetzen wir im Tourismus zum Beispiel in intelligente Tourismusmobilität: Wie lässt sich Overtourism – aber auch Undertourism – vermeiden? Das könnten dann „Slow-Tourism-Pakete“ und intelligentes Destinationsmanagement sein. Das alles braucht eine gute Datenbasis. Heißt: ich muss eine Region gut vernetzen, um zu wissen, wo Menschenmengen gerade sind und wohin die Ströme verteilt werden können. Dafür notwendig ist die sichere Vernetzung. Oder beim Thema Fahrradfahren: Wo gibt es breite Wege, um sicher zu fahren? Wo gibt es Unfallhäufungspunkte? Oder automatisiertes Parken.

Wo sehen Sie Salzburg Research in zehn Jahren?

SR: Für mich wäre das große Thema organisatorisches Wachstum. Wir wollen in der Nische wachsen und eine kritische Größe erreichen. Das wären meiner Ansicht nach gut hundert innovative, dynamische Forscherinnen und Forscher im Feld „Motion Data Intelligence“, die aus diesen Daten wertvolle Innovation hervorbringen – wie es auch unser Slogan „From Data to Value“ besagt.

BB: Ich hätte gesagt 200. Und die Positionierung als international bekannter Forschungshub rund um die Kernthemen.


Siegfried Reich, GF Salzburg Research

Univ.-Doz. Dr. Siegfried Reich, MSc

Geschäftsführer der Salzburg Research Forschungsgesellschaft

Siegfried „Sigi“ Reich leitet die Salzburg Research Forschungsgesellschaft seit 2003. Der Wirtschaftsinformatiker kam 1967 in St. Johann im Pongau zur Welt. Aufgewachsen ist er in Salzburg. Nach dem Master in Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik an der Johannes Kepler Universität Linz absolvierte er bis 1995 ein Doktoratsstudium an der Uni Wien. 1996-99 Post-Doc in Southampton (GB) im Bereich Multimedia. Habilitation in Angewandter Informatik an der Uni Linz, Mitglied mehrerer Forschungsverbände. Der verheiratete Vater zweier Kinder radelt bei jedem Wetter und sportelt ganzjährig in der Bergnatur.

Brigitte Bach, Aufsichtsratsvorsitzende

Hon.-Prof.in Mag.a DIin Dr.in Brigitte Bach, MSc

Vorständin Salzburg AG, Aufsichtsratsvorsitzende Salzburg Research

Brigitte Bach, 1965 in Wien geboren und aufgewachsen in Linz, ist Physikerin und Astronomin sowie Honorarprofessorin für Energietransformation im urbanen Bereich an der TU Wien, wo sie auch promoviert hat. Ab 1999 beim AIT, stieg sie zur Prokuristin und Leiterin des Center of Energy mit 250 Mitarbeitenden auf. 2018 übernimmt sie in der Wien Energie die Verantwortung für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, für Telekommunikation und Elektromobilität und seit 2021 ist sie Co-Vorständin der Salzburg AG. Brigitte Bach lebt am Attersee, sportelt viel in freier Natur (Segeln, Ski fahren, Wandern) und besucht Konzerte.


Cover FutureBook

Future Book

Salzburg Research wirft einen Blick in die Zukunft:

Mittels Trendanalyse haben wir relevante Trends analysiert und entwerfen daraus neun konkrete Zukunftsbilder in den drei Anwendungsfeldern Health & Sports, Smart Region & Mobility sowie Industry & Infrastructure:

 
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5020 Salzburg, Austria