Salzburg Research FutureBook: Wie wir die digitale Transformation gestalten: Interview

Smarte Lösungen werden Sport und Gesundheit revolutionieren

Viele Unternehmen warten bei der Digitalisierung noch ab. Zusätzlich bremsen Datenschutzfragen die Entwicklung. Die Leiterin des Schwerpunkts Health & Sports bei Salzburg Research sieht jedoch smarte Lösungen längst unaufhaltsam in unseren Alltag einziehen.

Interview: Michael J. Mayr

Frau Häusler, auch wenn Sie ungern in die Zukunft blicken, sei es für ein Futurebook erlaubt zu fragen, wie weit Sie die Digitalisierung von Gesundheit und Sport in zehn Jahren sehen?

Elisabeth Häusler: Smarte Lösungen werden bis dahin in unseren Alltag integriert sein, so wie es heute bereits mit den Smartwatches Realität ist. Wenn wir die Zykluskurve betrachten, haben wir mit vielen Entwicklungen das Tal der Tränen durchschritten, wo die neuen Technologien soweit sind, dass sie auf dem Massenmarkt einsetzbar sind. In zehn Jahren wird es ganz normal sein, dass die Menschen digitale Tools haben zur Unterstützung im Alltag, sei es im Gesundheitsbereich, bei der Rehabilitation oder bei Sport und Fitness.

Wo leistet Ihr Team dabei besondere Beiträge?

Unternehmen wünschen sich oft Digitalisierung, wollen vorne dabei sein. Das Operationalisieren ist unsere starke Rolle. Wir analysieren Herausforderungen wissenschaftlich, untersuchen User Needs und entwickeln daraus einen Proof-of-Concept auf drei bis fünf Jahre voraus für den Markt nach dem Motto ‚vom Papier zum Prototyp‘. Die Unternehmen erhalten damit früh Technologien zum Angreifen und spüren somit eine Entscheidungsgrundlage, was für sie passt und was weniger.

Unternehmen erhalten früh Technologie zum Angreifen und spüren, was für sie passt und was weniger.

– Elisabeth Häusler, Salzburg Research

Können Sie uns dazu konkrete Beispiele geben?

Der Connected Boot von Atomic ist ein gutes Beispiel. Gemeinsam mit der Firma integrieren wir in den Skischuh Beschleunigungssensoren. Die Daten lesen wir aus und entwickeln daraus Algorithmen. In diesem Fall entwickeln wir eine KI-basierte Detektion von Skischwüngen. Unternehmen wie Atomic haben auch bei digitalen Lösungen im Feld den Markenanspruch, nahe am sogenannten Goldstandard zu sein und nahezu hundert Prozent der Schwünge zu detektieren und nicht nur jeden dritten.

Gilt das auch für digitale Skier? Wann kommen dort Produkte, die mein Leistungspotenzial, meinen Druck in der Situation analysieren und in Fahrkomfort umsetzen?

Es passieren natürlich auch Entwicklungen beim Ski. Vor allem im Bereich der Produktentwicklung spielt die Digitalisierung zunehmend eine wichtige Rolle. Über mehr Details darf ich hier jedoch nicht sprechen.

Ein großes Sportthema sind auch Wearables, also smarte Kleidung mit integrierten Chips und anderen digitalen Messinstrumenten, die mir helfen, über’s Internet meine Leistung zu verbessern. Werden die Produkte es von der Nische in die Breite schaffen?

Smart Textiles waren bisher eine Nische für eine sehr spezifische Zielgruppe. Aber wir kommen hier allmählich in die Massenkonfektion mit mehr Komfort. Auch da bin ich sicher, dass wir in zehn Jahren eine relevante Breite erreicht haben werden. Die Produzent:innen können die Basismaterialien jetzt schon von der Stange kaufen und mit ihren Apps und Services für die Breite entwickeln.

Sie sehen also zunehmend Durchbrüche, obwohl in der Industrie nach wie vor Sorge feststellbar ist, digitale Entwicklungen, die grundsätzlich einmal teuer sind, in den Sand zu setzen, damit Flops zu produzieren?

Das ist das Thema meiner Dissertation: die frühe Innovationsphase in der daten-intensiven Produktentwicklung. Um solche Flops nicht zu produzieren, ist es wichtig, nach entsprechenden Vorgehensmodellen vorzugehen. Das heißt, frühzeitig Kundenbedürfnisse zu identifizieren, schnell sogenannte Proof-of-Concepts zu entwickeln und somit die technische Machbarkeit und Akzeptanz zu evaluieren. Um nur einige wenige Punkte zu nennen.

Wo nutzen Sie schon digitale Sportprodukte?

Natürlich den Skischuh. Dazu Smartwatches und smarte Handgelenksbänder.

Wie fühlt sich der Skischuh an? Wird aus der guten Skifahrerin plötzlich eine ausgezeichnete?

Das nicht, aber ich weiß, dass meine Carvingschwünge verbesserungswürdig sind. Das reflektiert der „Carving-Score“ mittels App auf einer persönlichen Ebene so, dass ich mich direkt auf der Piste eigenständig verbessern kann. Aber ich nutze auch meine Smartwatch, um alltägliche Aktivität im Blick zu haben, etwa die Anzahl meiner Schritte. Ich probiere gerne auch Neues. Es gehört zu unserem Job und es ist vor allem unsere Leidenschaft, dass wir Entwicklungen selbst ausprobieren, uns Benchmarks holen und ein Gefühl für praktische Marktfähigkeit bekommen.

Der „Carving-Score“ hilft, mich direkt auf der Piste eigenständig zu verbessern.

– Elisabeth Häusler, Salzburg Research

Es gibt aber auch Digitalisierungsbremser. Nicht nur Unternehmen, denen die digitale Marktgläubigkeit abgeht und die nicht mitziehen, sondern auch die große Zahl der Sportmuffel. Bei Umfragen in Deutschland und Österreich gibt die Hälfte der Bevölkerung zu, körperlich inaktiv zu sein, den Alltag zu versitzen. Die Covid-Pandemie hat das noch verstärkt. So sagen die Deutschen, in dieser Zeit im Schnitt fünf Kilo zugenommen zu haben. Es scheint, dass Sportlichkeit und Gesundheitsbewusstsein ab- statt zunehmen, speziell bei über 50-Jährigen. Kann Digitalisierung da was dagegen bewegen?

Natürlich kann das ein Hebel sein, wenn ich Geräte für zuhause bekomme und nicht ins Fitnessstudio muss, also unabhängig von einer Infrastruktur oder auch Vereinen bin. Ich bin davon überzeugt, dass wir neue Zielgruppen erreichen, auch jene, die bis dato vielleicht weniger Technik-affin sind. Die Frage ist immer, welchen Nutzen ich mit den Wearables dort erziele. Das Problem kennen wir von den Rehas. In den Wochen der intensiven Betreuung sind die Leute gut in der Bewegungsroutine angekommen. Kaum sind sie daheim, fallen sie zurück in alte Verhaltensmuster. Da können digitale Gadgets für nachhaltig Verhaltensänderungen und Interventionen unterstützen. Wir arbeiten daher auch stark mit der Sportpsychologie zusammen, mit der Frage, wie kann eine digitale Lösung helfen, dass die Leute nachhaltig in Bewegung bleiben?

Sie haben also nicht das Gefühl, bei Salzburg Research für Bevölkerungs-Nischen zu arbeiten, für besser Gebildete und insgesamt Highperformer?

Nein. Wir arbeiten zum Beispiel an einem Projekt zum Thema Schlafqualität. Hier werden Lernmodelle für die Allgemeinbevölkerung entwickelt. Zum Beispiel teste ich derzeit einen Tracker zum Messen der Schlafqualität. Das ist schon spannend zu sehen, wie mein Verhalten sich im Schlaf widerspiegelt. Etwa, wenn ich am Abend zu viel gegessen habe oder die Bildschirmzeit zu lange war.

Es ist spannend, wie Technologien den Einfluss des abendlichen Essverhaltens auf eine unruhige Nacht widerspiegeln können.

– Elisabeth Häusler, Salzburg Research

Für die Studie haben Sie Probandinnen und Probanden gesucht. Wie schwierig war das?

Überhaupt nicht. Da war ein großer Zulauf.

Ein echtes Breitenthema?

Absolut. Wir haben auch eine Studie gemacht mit jungen Läuferinnen, die entweder Laufabbrecherinnen sind oder gar nie laufen. Da gab’s auch kein Problem, Teilnehmerinnen zu bekommen.

Bei jungen Generationen kann Digitalisierung Ihrer Beobachtung nach speziell ein Anreiz sein, sich gesünder zu verhalten, sich auszuprobieren, Neues kennen zu lernen?

Ja, auch im Sinne von Nachhaltigkeit. Bei unserem COMET-Projekt ‚Digital Motion‘ wiederum ist der Anspruch der Partnerorganisationen nicht, dass die entwickelten Tools immer verwendet werden, sondern dass Menschen wieder mehr Self-Awareness gewinnen und eine gute Bewegungsexperience haben.

Ein Digitalisierungsthema ist immer auch Datenmissbrauch, Überwachung, Big Data und Big Brother. Wie argumentieren Sie gegenüber skeptischen Personen?

Unsere Studien durchlaufen alle Stufen der Ethikkommissionen beteiligter Unis. Die Unternehmen sagen, je klarer der Nutzen, desto offener sind die Konsument:innen. Wir legen jedenfalls großen Wert auf ethischen und verantwortlichen Umgang mit persönlichen Daten.

Siehe Smartphone …

… Sie sagen es.


© wildbild

DIin (FH) Elisabeth Häusler

Forschungslinienleiterin Human Motion Analytics

Elisabeth „Lisi“ Häusler ist gebürtige Linzerin, Jahrgang 1982, verheiratet und dreifache Mutter. Nach der Matura an der Tourismusschule Klessheim in Salzburg absolvierte sie 2001 an der FH Salzburg-Urstein ihr Diplom in Telekommunikationstechnik und -systeme. Zu Salzburg Research hat sie durch ein Praktikum gefunden. Seit 2020 leitet sie den Bereich „Human Motion Analytics“. Ihre Steckenpferde sind agiles Arbeiten, Konsequenz, Familie und Sport.

  • Welches Talent hätte ich gerne? Keines extra. Ich bin Realistin und freue mich über meine Talente, die ich beruflich sowie privat bestmöglich einsetze.
  • Mit welcher Kleinigkeit kann man mir eine Freude machen? Mit einer Schweizer Schoggi!
  • Nichts geht für mich über ein heißes Wannenbad am Abend.
  • Wenn es hektisch wird, dann hilft agiles Handeln!
  • Die Laune verderben kann mir sehr wenig. Ich bin eine Frohnatur.
  • Meine Lieblingsfarbe ist dunkelblau. Sommers wie winters.
  • Die Eigenschaften, die ich am meisten schätze, sind Arbeitshaltung, Selbstverantwortung, Ehrlichkeit und Wertschätzung.
  • Am leichtesten verzeihe ich Fehler bei der Arbeit. Dort fallen nun einmal Späne, wichtig ist daraus zu lernen!
  • Am liebsten essen gehe ich ganz eindeutig mit meinem Mann. Da brauch‘ ich keine Berühmtheit, der Typ bin ich nicht.
  • Mein Traum vom Glück ist mein reales Leben, und ich arbeite jeden Tag daran, dass es so bleibt.
  • Angst macht mir zu weit in die Zukunft zu blicken. Ich bin eher im Hier und Jetzt daheim.
  • In zehn Jahren werde ich auf den Abschluss meiner Doktorarbeit zurückblicken können und viel Erfahrung mit meinem Team gesammelt haben.

Cover FutureBook

Future Book

Salzburg Research wirft einen Blick in die Zukunft:

Mittels Trendanalyse haben wir relevante Trends analysiert und entwerfen daraus neun konkrete Zukunftsbilder in den drei Anwendungsfeldern Health & Sports, Smart Region & Mobility sowie Industry & Infrastructure:

 
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