Leitlinien für inklusiven Tourismus

Das Interreg-Projekt GATE „Granting Accessible Tourism for Everyone“ hatte zum Ziel, Menschen mit Behinderungen einen besseren Zugang zu natürlichen Umgebungen zu ermöglichen, insbesondere zu Wanderwegen, Naturparks und anderen Attraktionen im alpinen Raum. Maßnahmen für inklusiven Tourismus verbessern den Zugang für alle und tragen auch zur regionalen Entwicklung bei. Damit das gelingt, wurden zentrale Leitlinien formuliert.

Eine barrierefrei zugängliche Umgebung ist für zehn Prozent der Bevölkerung unentbehrlich, für 30 bis 40 Prozent hilfreich und für hundert Prozent komfortabel! Bis in die 2000er-Jahre wurden unter dem Begriff „Tourismus für Alle“ primär Maßnahmen für Gäste mit Behinderung verstanden. Entsprechende Angebote wurden als ein kleiner, aber kostenintensiver Nischenmarkt gesehen. Heute wird der Barrierefreiheit eine weitaus größere Bedeutung beigemessen, denn die Angebote bieten Mehrwert für alle! Mit barrierefreien Angeboten können breite Zielgruppen angesprochen werden, da sie von Personen mit starken, geringen und ohne Beeinträchtigungen gerne angenommen werden. Auch Einheimische profitieren vom inklusiven Tourismus.

Personengruppen mit besonderen Anforderungen

Barrierefreiheit ist im Interesse aller Menschen und daher nicht einer Personengruppe allein zuzuordnen. Jedoch werden bei Erhebungen zumeist folgende Gruppen von Reisenden mit besonderen Anforderungen unterschieden:

  • SeniorInnen (ab 65 Jahren) mit altersbedingten Beeinträchtigungen hinsichtlich Aktivitäten, die etwa zwei Drittel aller Betroffenen ausmachen;
  • jüngere Personen (bis 64 Jahre) mit verschiedenen Beeinträchtigungen hinsichtlich Mobilität, Sehen, Hören oder auch Lernfähigkeit;
  • Personen ohne Beeinträchtigungen, aber mit Schwierigkeiten bei Reisen, wie insbesondere Familien mit Kleinkindern. Zudem haben beispielsweise Schwangere oder Personen mit Verletzungen temporär besondere Anforderungen.

Ziele und Leitmotive

Ziel der GATE-Leitlinien für inklusiven Tourismus ist, die Zugänglichkeit von Natur- und Kulturgebieten im Alpen- und Voralpenraum durch Barrierefreiheit zu verbessern. Damit soll das große Potenzial des inklusiven Tourismus freigelegt und für die regionale Entwicklung genutzt werden. Die Leitlinien richten sich an regionale und lokale Verwaltungen, Behindertenverbände, Organisationen der Zivilgesellschaft, touristische Dienstleister und Institutionen im Bereich Natur-/Kulturerbe.

Die GATE Leitlinien sind gegliedert nach drei wesentlichen Leitmotiven:

  1. Gemeinsam inklusiv:
    Inklusiven Tourismus gemeinsam, durch Mitwirkung aller Interessensgruppen verwirklichen.
  2. Barrieren beseitigen:
    Zugängliche und verlässliche Information zum regionalen Angebot und barrierefreie Mobilität vor Ort bereitstellen.
  3. Natur erleben:
    Besuchern mit barrierefreien Wanderwegen, Parks und anderen Sehenswürdigkeiten Naturerlebnisse ermöglichen.

Leitlinien für inklusiven Tourismus

#1 Gemeinsam inklusiv

a. Regionale Entwicklungsstrategie

Inklusiver Tourismus bedarf eines umfassenden Angebotes an barrierefreien Einrichtungen und Dienstleistungen. Dafür braucht es eine langfristige und koordinierte Entwicklungsstrategie. Eine zentrale Steuerung und Koordination der Maßnahmen, mit klarer Verantwortung für Teilprojekte, ist erforderlich. Möglichst viele Entwicklungspartner, Leistungsträger und andere Interessengruppen sollten eingebunden werden.

b. Gesamtpaket barrierefreier Tourismus

Für einen umfassend barrierefreien Aufenthalt muss ein Paket für die gesamte touristische Servicekette geschnürt werden: Unterkünfte, Gaststätten, lokaler Transport (Busse, Seilbahnen), Sehenswürdigkeiten, Wanderwege, spezialisierte Dienstleistungen (wie z.B. Verleihangebote von Hilfsmitteln, Pflegedienste, Urlaubsdialyse-Angebote) usw.

c. Vernetzung und Partnerschaften

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Erreichung einer inklusiven Destination ist die Stärkung von regionalen und lokalen Netzwerken und Partnerschaften.

d. Beteiligung der Zielgruppen

Barrierefreie Projekte sollten von Anfang an gemeinsam mit Betroffenen entwickelt, umgesetzt und evaluiert werden. Personen mit Behinderungen haben Know-how aus erster Hand und können am besten bewerten, ob ein touristisches Angebot ihren Anforderungen entspricht.

e. Sensibilisierung und Qualifizierung

Zur Entwicklung des inklusiven Tourismus ist vielfach noch eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Leistungsträger für die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen mit Behinderung erforderlich.

#2 Barrieren beseitigen

a. Kennzeichnung von Barrierefreiheit

Eine klare Kennzeichnung dazu, bei welchen Behinderungen ein touristisches Angebot tatsächlich geeignet ist, ermöglicht interessierten Besuchern eine hilfreiche Orientierung.

b. Barrierefreie Web-Anwendungen und -Inhalte

Für barrierefreie Web-Anwendungen und -Inhalte sind die ausführlichen Richtlinien des World Wide Web Consortium (WCAG 2.0) maßgebend. Einige einfache Anforderungen sind: Für alle gängigen Web-Browser geeignet, klare Menüführung, alle Funktionalitäten auch über die Tastatur nutzbar; einfach verständliche Texte („easy to read“), die Möglichkeit, Schrift zu vergrößern; kontrastierende Farbgestaltung, Abbildungen mit hinterlegtem, beschreibendem Text (um von Screenreader gelesen werden zu können), Videos mit Untertitelung versehen; zum Herunterladen nur barrierefreie PDF-Dokumente und Formulare anbieten.

c. Barrierefreie Mobilität vor Ort

Die Möglichkeit, sich innerhalb der Destination möglichst barrierefrei bewegen zu können, wird von Menschen mit Behinderungen als besonders wichtig und zugleich als vielfach schwierig gesehen.

#3 Natur erleben

a. Physische Zugänglichkeit von Wanderwegen

Destinationen im alpinen Raum sollten zumindest einen Teil ihrer Angebote an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung anpassen und eine möglichst selbstständige Nutzbarkeit ermöglichen. Abhängig von Art und Ausmaß der Behinderung ergeben sich unterschiedliche Anforderungen: Gesamtlänge, Steigungen, Wegbreite und Bodenbeschaffenheit.

b. Multisensorische Zeichen zur Information und Orientierung

Es gibt viele Möglichkeiten, Erlebnisangebote in der Natur durch multisensorische Zeichen zur Information und Orientierung für alle Besucher besser zugänglich und sicherer zu machen: Leitsysteme, Informationstafeln, Schilder u.a., die Information und Orientierung über verschiedene Sinne ermöglichen, also visuell (Sehen), auditiv (Hören), audio-visuell (Hören und Sehen) und taktil (Tasten). Beispiele sind Gebiets- und Wandertafeln mit taktilen Elementen, Leitlinien und Markierungen am Boden, Informationen in Brailleschrift auf Tafeln oder Geländern, wie auch multimediale Guides oder Informationsstationen, iBeacons im Gelände für Information zu Objekten usw.

c. Barrierefreie Infrastruktur

In der Planung von barrierefreien Erlebnisangeboten in der Natur sind neben der physischen Zugänglichkeit und stimmigen Kennzeichnung selbstverständlich auch Anforderungen hinsichtlich der Infrastruktur zu berücksichtigen: Parkplätze bzw. Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Zugänglichkeit von Gebäuden, Sanitäranlagen und Rastplätze.

Das Gesamtdokument zum kostenlosen Download finden Sie online:

GATE wurde im Rahmen des Interreg-Programms V-A Italien-Österreich gefördert. Projektpartner: Stiftung Dolomiten UNESCO (Leitung), Sozialgenossenschaft independent L. (Meran), Gemeinde Santorso, Sektion Alpago des italienischen Alpenvereins, Universität Innsbruck (Forschungszentrum Tourismus & Freizeit) und Salzburg Research.


 
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